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Zuckerschock ante portas.

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Bild: © Sarah Krobath

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Bald ist Halbzeit, bald steht Weihnachten vor der Tür – oder besser gesagt den Türen. Jenen der unzähligen prall gefüllten Adventskalender nämlich, mit denen uns die Industrie jedes Jahr aufs Neue die Wartezeit versüßt. Und das im wahrsten Sinne des Wortes: Kalender mit hübschen Bildern, nachdenklich stimmenden Sprüchen oder philosophischen Zitaten sind Reliquien aus dem Jahre Schnee. Wenn schon Aphorismen, dann hoffentlich in Form einer Banderole, in die Schokolade oder Zuckerl gewickelt sind, besser aber auf Esspapier gekritzelt oder mit Zuckerguss auf Lebkuchen geschrieben – ein Gedicht! Weihnachten ist schließlich die Zeit der Be-Sinnlichkeit. Die einen zählen die Tage bis Heilig Abend, die anderen schon die Kalorien. Der Papa trinkt sich mit seinem 14 Kilo schweren Bier-Adventskalender die kitschige, allmählich sein Zuhause okkupierende Deko schön, die Mama wirft sich angesichts des bevorstehenden Familienaufmarsches prophylaktisch täglich eine Praline gefolgt von einer Talcid und einer Ibuprofen ein – wann wohl endlich die Pharmaindustrie auf den Kalender-Zug aufspringt? – und die Oma hängt sich jeden Morgen einen anderen Teebeutel in die Tasse und freut sich schon, wenn am 25. endlich Normalität einkehrt und sie wieder ihren Malzkaffee schlürfen kann. Das Töchterchen hat irgendwann unbedacht erwähnt, dass sie auf die Linie schauen will und muss diesen Lapsus jetzt in Form von 24 Müslimischungen auslöffeln. Weil dem Jüngsten in der Familie das Warten besonders schwer fällt, wird er sicherheitshalber mit den vereinten Kräften von Kinder Überraschung und Bob der Baumeister bei Laune gehalten – dass der Sohnemann bereits am 10. Dezember bei beiden Kalendern einen Tag der offenen Tür veranstaltet hat, bleibt bis auf Weiteres unbemerkt. Davon können viele Büroangestellte nur träumen. Sie teilen sich mit ihren Abteilungskollegen einen No-Name-Kalender, der als Werbegeschenk ins Haus geflattert ist und bei dem jeder weiß, dass die Sterne und Tannenbäume im Grunde die wiedergeborenen Schokohasen vom letzten Ostern sind. Und obwohl das Facility Management in weiser Voraussicht eine eigene Befugnisliste erstellt hat, damit keine Türen unrechtmäßig geöffnet werden, schlägt einem in dieser Zeit der Gemeinsamkeit und des füreinander Daseins Darwin’s Gesetz diese mit voller Breitseite ins Gesicht. Wer um spätestens eine halbe Stunde nach Dienstbeginn nicht da oder womöglich gar krank ist, hat verloren. Survival of the fittest! Nachdem der Zuckerspiegel aller Familienmitglieder vier Wochen lang auf die weihnachtliche Völlerei eingestimmt und dafür sogar die allgemeingültige Regel „Keine Süßigkeiten vor dem Essen“ auf Eis gelegt wurde, geht das Schlemmen auch nach dem 24. weiter. Nur sind es dann die Deckel der immer noch übervollen Keksdosen, die täglich mindestens einmal geöffnet werden, bis schließlich Ostern vor der Tür steht.



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